100 Jahre Seeclub Stansstad
Am 1. Juni 2022 hatte der Seeclub Stansstad in seinem frisch runderneuerten Bootshaus am Vierwaldstättersee doppelt anzustossen. Zum einen ist der erste und bisher einzige Ruderverein in Nidwalden genau an diesem Datum hundert Jahre alt geworden. Zum andern wurde gratuliert auf das erste Weltcup-Gold des Hergiswiler Ruderers Jan Schäuble, das er kurz zuvor in Belgrad mit seinem Teamkollegen Raphael Ahumada (RC Forward Morges) im Leichtgewichts-Doppelzweier in Belgrad gewonnen hatte. Welch quasi ein Geschenk zum 100. Geburtstag. Und endlich, nach 2 Jahren Pause wegen Corona-Pandemie, inszenierten der Seeclub Stansstad und Ruderclub Sarnen wiederum die Sarnersee-Regatta mit über 1376 Booten aus dem In- und Ausland.
Die Anfänge des Nidwaldner Rudersports waren sogleich zielstrebig. Acht Stansstader hielten am 1. Juni 1922 im damaligen Hotel Schiff die Gründungsversammlung und schworen sich auf die Gesinnung ein, „das nur ein geordnetes, ausdauerndes und kameradschaftliches Zusammenwirken den Verein aufrechterhalten und zu schönen Erfolgen führen könne.“ Gesagt und getan. Nach anfänglichen Schwierigkeiten in der Bootsbeschaffung und ohne eigenes Klubhaus stand die Geselligkeit in Gasthäusern noch im Fokus – was sicher dem Zusammenhalt, vielleicht aber weniger der sportlichen Leistung zu gute kam. Eine Übungsfahrt von mindestens einer Stunde jede Woche wurde bald obligatorisch. Erste sportliche Erfolge kamen, bereits am 3. Juli gleichen Jahres auf Einladung des Seeclub Uri (1914-1935) an der Regatta in Flüelen als “Feuertaufe” zumindest bei der Debütanten-Kategorie mit einem Sieg in einem renn-untauglichen Occasion-Vierer: “Als Preis brachten wir unseren Kameraden 5 Flaschen Asti mit nach Hause.”
Bootshütte 1937
Für die Finanzierung der Klub-Aktivitäten verschreibt sich der Seeclub nebst Unterhaltungsabenden und Bällen umso mehr seit 1927 auch der Durchführung eigener Regatten, zuerst vor Stansstads Gestaden vorbei am Schnitzturm und dann auf dem Alpnachersee. 1983 verlegte er seine Regatta auf den Sarnersee und führte damit dort den Rudersport ein. Der 1996 von Obwaldnern gegründete Ruderclub Sarnen wurde sogleich ins Boot des Regatta-OK geholt in der für beide Rudervereine willkommenen Win-Win-Strategie. Unter Regie der Stansstaderin Dorothy Rosenberger bewerkstelligte das Unterwaldner Dreamteam nach Unterbruch infolge Pandemie am 4./5. Juni die Wiederauferstehung der Sarnerseeregatta als eine der größten der Schweiz und Europas.
Im Gründungsjahr war der Klub ohne eigene Behausung. Als einfache Unterkunft diente unweit der Kehrsitenstrasse ein Dachvorsprung der Schiffswerft Waser zur Lagerung eines Klinker-Outriggers und eines Kleiderschranks. Dieses zügige Obdach blieb bis 1937 erhalten und wäre es eigentlich weiterhin geblieben, wenn nicht ein tragischer Umstand dem Seeclub zu einer günstigen Bootshütte verholfen hätte. Der belgische König Leopold III. verlor am 25. August 1935 bei Küssnacht am Rigi seine Gemahlin Astrid bei einem Autounfall. Infolgedessen wurde das königliche Anwesen in St. Niklausen/Luzern verkauft: “Das zu der Villa gehörende Bootshaus konnten wir günstig erwerben und im Frühjahr 1936 fuhren wir auf einem Nauen das Material nach Stansstad.” Die dann 1937 neben dem Strandbad erstellte Holzhütte für Boote und Material diente fast drei Jahrzehnte lang. für bis zu 120 Mitgliedern. Königlichen Ursprungs war sie dennoch unbeheizt. Das Vereinsleben war weiterhin auf die Wirtshäuser Stansstads angewiesen. Bereits hatte der Stansstad 1935 und 1936 ihre ersten Schweizer Meistertitel-Gewinne verzeichnet, ein dritter folgte 1937. Es war immer die gleiche Crew: Josef Adacher, Beppi Praloran, Werner Odermatt, Franz Stimpfl und am Steuer Ernst Dittli. Der Siegesserie fand 1938 keine Fortsetzung: Die Mannschaft kenterte auf ihrer Überführungsfahrt nach Luzern zwecks Verlad zur Teilnahme an der internationalen Ruderregatta Strassburg inmitten eine schweren Föhnsturms in der Seebucht Luzerns und Beppi Praloran fand den Ertrinkungstod. Die nationalen und internationalen Medaillen-Erfolge besonders der Gebrüder Hugo und Adolf Waser seit 1957 – WM-Bronze 1962 im Zweier-ohne und EM-Bronze 1969 im Vierer-ohne und Hugo Wasers Olympia-Bronze 1968 im Vierer-ohne – zogen viel Nachwuchs an. Der zunächst unbekannte “Landverein” stieg zum europäisch bekannten schweizerischen Spitzenclub auf. Die Luzerner Neueste Nachrichten stellt 1965 fest: “Würde im schweizerischen Rudersport eine erfolgsbilanz der letzten zehn Jahre ziehen, der Seeclub Stansstad würde an erster Stelle anzutreffen sein.” Die Mitgliederzahl wuchs auf über hundert an. ein Bootshaus musste her.
Bootshaus 1967
Das heutige Bootshaus wurde in seiner ursprünglichen Form im Jahr 1967 am 29. September eröffnet. “Es Dach überem Chopf”, so lautet der Titel in der Zeitung “Vaterland” Der Architekt Paul Maurer aus Zürich beschreibt die Ausführung: “Der überaus schlechte Baugrund erforderte eine Pfahlfundation. Das Gebäude besteht aus einem Stahlskeltt, das mit vorfabrizierten Wand- und Deckenplatten ausgekleidet wurde. Ein grosses Anliege war, den klaten Industriebau einfach, aber wohnlich und gesellig zu gestalten, dem Charakter eines Ruderclubs entsprechend. Diese Anforderungen wurden erfüllt durch Verwendung von erdgebundenen Materialien, wie Tonplatten, Holz und weissem Verputz.” Baulich ästhetisch war das Flachdachkonzept typisch für nüchterne Zweck-Architektur der Sechzigerjahre: Garderobe, Hauswart-Mietwohnung, Klubsaal mitsamt Küche und zwei sehr hohe und breit konzipierte Bootshallen. Drei Tage lang wurde gefeiert: Tag 1 “Grosses Bootshausfest 20.00 h – 04.00 h”, Tag 2 Clubrgegatta und Einweihungsakt, “mit Fortsetzung des Bootshausfestes”, Tag 3 “Start zum Langstreckenrennen über 10 km”.
1969 gewann der Seeclub Stansstad erstmals das Achterrennen an den Schweizer Meisterschaften.. Aus diesem Königsboot anvacierte sich der Steuermann Pius Z´Rotz zum führenden Skuller und Riemenruderer in der Schweizer Ruderszene der Siebziger und Achtzigerjahre und prägte 1982 bis 1984 das schweizerische Leichtgewichtrudern im Doppelzweier jeweils mit internationalen Bronzegewinnen . Der Club wuchs und wuchs. Eine daraufhin in den Achtzigerjahren bereit gelegte Projektierung einer baulichen Erneuerung und Erweiterung blieb Papier. Der Frauenrudersport in Stansstad etablierte sich zusehends und arrivierte 1977 mit einem ersten Frauen Schweizer Meistertitelgewinn durch Dora Muff im Einer. Weitere Erfolge der Ruderinnen gipfelten mit Teilnahmen an Weltmeisterschaften und 2000 mit Selektionen an Olympische Spiele nach Sydney wie mit Bernadette Wicki und Kim Plugge.
1992 folgten Ergänzungen mit einer dritten Bootshalle, einem neuen Dachgeschoss, einem Kraft- und einem Ergometerraum. Doch diese wurde ohne Rücksicht auf die geologische Konstellation des instabilen Seeufergeländes gemacht. Die Anbauten sanken um bis zehn Zentimeter. Trotz adhoc vorgenommener Investitionen nagte der Zahn der Zeit in der 50-jährigen Bausubstanz. 2012 liess eine junge Generation deutlich ihre Identifikation mit dem Seeclub am 90jährigen Jubiläum prospektiv verlauten: “Vision Bootshaus 2022”. Diese sah sich bestärkt und bestätigt an der Senkung einer der Bootshallen um bis zu 10 Zentimetern, an veralteter Ölheizung und verbrauchter Sanitäranlage sowie mangelhaftem Brandschutz, 2018 die Finanzierung einer umfassenden und gründlichen Sanierung an die Hand zu nehmen. Eine Million Franken wurden gesammelt, und nach stundenlangen Sitzungen, hunderten an Sponsorenanfragen, ausserordentlichen Versammlungen und unzähligen Stunden ehrenamtlicher Arbeit ist ein Jahr vor dem Zentenarium die Vision zur Realität geworden. Am 3. Juli 2021 wurde das komplett erneuerte Daheim des Nidwaldner Rudersports eingeweiht, auch unter Anteilnahme von Gemeinde und Kanton, die die Erneuerung subventionierten. Von benutzerfreundlichem Lagersystem für über 50 Boote, über pflegeleichte Garderoben und Sanitäranlagen, erweitertem Clubsaal mitsamt für Grossanlässe konzipierter Küche bis zur Photovoltaikanlage ist die Nidwaldner Ruderhochburg mit über 200 Mitgliedern fit für die nächsten 50 Jahre. Der Nachwuchs ist bereits auf internationalem Erfolgskurs und trägt den Namen “Seeclub Stansstad” in die Ruderwelt hinaus.
Christian Schweizer und Remo Diethelm
Stansstader 8+ Weltausstellung Paris 1937